willkommen bei Zen Fuer Frauen,
heute ist Sommer-Sonnen-Wende. Die Sonne scheint auf der Nordhalbkugel direkt auf den Wendekreis des Krebses. Polwärts dieser Linie erleben wir alle, die auf der nördlichen Halbkugel leben, unseren längsten und hellsten Tag. Und wenn wir auf dieser Linie stehen, haben wir mittags keinen Schatten – die Sonne steht direkt über uns.
Die Sommersonnenwende, die immer zu Beginn der Krebs-Sonnenzeit stattfindet, erinnert uns daran, uns nach innen zu wenden und die nötige Nahrung für Wachstum und Entwicklung zu finden. Es ist eine Zeit des Innehaltens und Wartens, bis die im Frühling gepflanzte Energie ihre volle Blüte erreicht hat. Während der Frühling für Tatkraft steht, steht der Sommer für Geduld.
Seit Jahrhunderten wissen die Menschen, welche Kraft in der Ausrichtung auf die jährlichen Sonnenphasen liegt, indem sie Tag-und-Nachtgleichen und Sonnenwenden ehrten und ihnen zu Ehren Monumente wie Stonehenge errichteten. Wenn das Licht der Sonne am Tag der Sommersonnen-Wende erstmals die Dunkelheit durchbricht, trifft es genau in die Mitte dieses uralten Kult-Platzes und erleuchtet jede Säule wie ein magisches Hufeisen. Das Christentum ehrt diesen Tag mit dem Pfingst-Fest (in deutsch 'der Fünfzigste' Tag nach Ostern) auch das Fest der 'Aus-Giessung des Heiligen Geistes' genannt. Das Pfingst-Fest ist zwar bereits vorüber, dennoch möchte ich auf seine tiefe Symbolik näher eingehen. Diese drei Symbole sind die Taube, das Wehen des Windes und die Feuer-Zungen, die beim Kommen des Geistes ausgestreut werden.
TAUBE.
Die weisse Taube ist das wohl bekannteste Symbol für Pfingsten. Sie symbolisiert den Heiligen Geist, der zu Pfingsten auf die Menschen herabkommt und sie erfüllt und sie steht für Frieden und Reinheit und für die Verbindung zwischen den Menschen. In einer Vielzahl von Kirchen finden sich Darstellungen der Taube, häufig umgeben von Licht oder Flammen.
FEUER.
Ein weiteres zentrales Symbol sind Feuer und Flammen. In der biblischen Pfingstgeschichte erscheinen den Jüngern „Zungen wie von Feuer“, die sich auf jeden von ihnen setzen. Feuer steht für Erleuchtung, Begeisterung und die Kraft des Geistes, die Menschen verwandelt und inspiriert. Ein weiteres wichtiges Symbol des Pfingstfestes ist im Westen die Farbe Rot. Sie steht für die Freude und den Eifer des Heiligen Geistes.
WIND.
Der Wind symbolisiert Im Christentum die Fähigkeit des Heiligen Geistes, Dinge in Bewegung zu setzen, neue Perspektiven zu inspirieren und Schwung in das Leben der Gläubigen zu bringen. Er steht für eine Kraft, die es ermöglicht, sich von Verzweiflung und Angst zu befreien.
Im Christentum aufgewachsen und umgeben von einem streng katholischen Umfeld war mir das Pfingst-Fest schon in der Kindheit das Liebste von allen liturgischen Festen und die Vorstellung, dass ein heiliger Geist auf mich herabkommen könnte, inspirierte und beglückte mich zutiefst.
Wir erkennen in den oben beschriebenen Symbolen auch Parallelen zu den mystischen Einheits- und Erleuchtungs-Erfahrungen der Östlichen Weisheitslehren. Über Jahrhunderte, ja Jahrtausende wurden diese Erfahrungen einigen wenigen Eingeweihten weitergegeben
und fanden so ihren Weg auch in alle Religionen, wenn auch oft in sehr verschlüsselter Weise.
So schreibt z.B. Paramahansa Yogananda:
'im Zustand des Savikalpa Samadhi seien Aufmerksamkeit und Lebenskraft von den Sinnen völlig abgezogen und identifizierten sich bewusst mit dem immer frohen Geist. In diesem Zustand ist die Seele vom Ich-Bewusstsein befreit und wird sich des Geistes bewusst, in dem alles Geschaffene aufgeht. Der Körper ist in einem trancegleichen Zustand, das Bewusstsein jedoch voll aufnahmefähig für die glückselige Erfahrung im Inneren.
Schließlich, im fortgeschrittensten Zustand, Nirvikalpa Samadhi, erkenne sich die Seele mit dem Geist als eins. Das Ich-Bewusstsein, das Seelenbewusstsein sowie der „Geist-Ozean“ werden alle als zusammen existierend erkannt. In diesem Zustand sei sich die Seele gleich-
zeitig des Geistes im Inneren und der äußeren Welt bewusst.'
Im Zen ist der Weg zum Erwachen Zazen, das Sitzen in der Versunkenheit. Dhyana, die Sammlung des Geistes, in der alle dualistischen Unterscheidungen von Ich und Du, Subjekt und Objekt, wahr und falsch in einer tiefen Erfahrung aufgehoben sind. Kensho, als spontan und plötzlich auftretendes Erlebnis (Hui Neng, der 6. Patriarch) und Satori, die allmähliche meditative Selbstvollendung.
Willigis Jäger beschrieb diese Erfahrungen in 'Zen im 21. Jahrhundert' so:
KENSHO ist ein erster Ausbruch aus der personalen Eingrenzung, der in die Erfahrung der Einheit führt. Wer auf dieser Ebene ankommt, sagt erschüttert: Ich könnte die ganze Welt umarmen. Der Mörder und der Terrorist ist nicht ausgeschlossen. Es ist kein 'Ich liebe dich' oder 'du liebst mich', sondern eine existenzielle Erfahrung der Einheit, die in ein absolutes Mitgefühl und eine grenzenlose Liebe führt.
SATORI ist die zweite eigentliche Erfahrung im Zen. Eine Erfahrung der Leere, ein erschütternder Ausbruch aus der rationalen und personalen Eingrenzung, oft als 'horror vacui', als Horror der Leere erfahren. Die Reaktion ist manchmal ein schallendes Gelächter. Aber es ist kein Lachen über etwas, sondern ein irritierendes Überschreiten des normalen Weltverständnisses. Wirklichkeit wird als etwas ganz anderes erfahren, als das ICH uns ständig vormacht.
Mit dem spontanen Erlebnis ist kein einmaliger Vorgang gemeint, durch den endgültiges Wissen in absoluter Vollständigkeit erlangt wird, sondern alle Meister haben ihre erlangte Einsicht in der Folge jahrzehntelang, oft auch bei anderen Meistern, durch ihre Praxis vertieft. Als ich vor kurzem eine Wanderung in den Ammergauer Alpen zum Ammer-Durchbruch machte und die gewaltige Schönheit und Wildheit dieser vollkommen unberührten Natur dort erleben durfte, da rührte mich dieses Erlebnis bis tief in mein Innerstes und hallt noch immer in mir nach. Der Durchbruch der Ammer ereignete sich vor etwa 120 000 Jahren !!, als der Fluss von Osten kommend seinen Lauf in Richtung Norden änderte. Die Wasserfluten schnitten sich damals in die nördlich der Ammergauer Alpen liegenden Moränen ein und erschufen so die Ammerschlucht. Jeder, der sich dort aufhält, kann heute noch hautnah nachempfinden, wie sich damals die Wasser der Ammer mit gewaltiger Macht durch die Felsen ihren Weg bahnten. Ein gewaltiges Natur-Ereignis. Erlebnisse dieser Art können uns in unserem tiefsten Sein berühren. Etwas in uns bricht auf oder bricht sich seine Bahn. Unsere Wahr-nehmung verändert sich und wir sehen die Dinge plötzlich mit anderen Augen - so, wie sie wirklich sind. Erlebnisse dieser Art er-wecken unsere ursprüngliche Natur zu neuem Leben. Wir erinnern uns wieder und fühlen eine tiefe Verbundenheit mit dem Leben.
Das Ende eines Zeitalters und der Beginn eines Neuen mag für jene, die es erleben und er-leiden, in seiner Wirkung einem Durchbruch oder Einbruch in ihre gesamte Existenz oder ihr bisheriges Verständnis von der Welt gleichen. Zugleich aber bieten Erschütterungen dieser Art auch Chancen. Wenn wir wach bleiben und sie erkennen, können wir unser gesamtes Selbst-Verständnis auf eine neue Ebene heben. Dazu braucht es geistige Klarheit, Einsicht und eine innere Zentriertheit, die wir durch unsere tägliche Praxis des Sitzens in der Stille finden und festigen dürfen.
In der tantrisch-buddhistischen Literatur Indiens bezieht sich der Begriff Mahâmudrâ auf den höchsten, den erleuchteten Zustand des Geistes, ein natürliches vollständiges Gewahrsein jedes Augenblicks. In ihrem Essay mit dem Titel 'Mâhâmudra als spontane Befreiung'
beschreibt Niguma, die legendäre Gründerin der Shangpa-Linie, wie man in diesem Zustand wachsamer Entspanntheit verweilt:
Tue nichts mit dem Geist, was es auch sein mag -
verweile in einem authentischen Zustand.
Der eigene Geist, unerschütterlich, ist Wirklichkeit.
So zu meditieren, ohne zu schwanken, ist der Schlüssel,
Erfahre die grosse (Wirklichkeit) jenseits der Extreme.
In einem klaren Ozean steigen Blasen auf und platzen.
Ebenso sind die Gedanken nicht
von der höchsten Wirklichkeit verschieden.
Also beanstande nichts, bleibe gelassen.
Was immer erscheinen mag, was auch geschieht,
greif nicht – lass auf der Stelle los.
Erscheinungen, Klänge, Objekte sind der eigene Geist;
es gibt nichts ausser dem Geist.
Der Geist geht über Geburt und Tod hinaus.
Die Natur des Geistes, reines Gewahrsein,
nutzt zwar die Objekte der fünf Sinne,
schweift aber niemals von der Wirklichkeit ab.
Im Zustand des kosmischen Gleichgewichts
ist nichts aufzugeben oder zu üben,
weder Meditation noch Nach-Meditation.
KHYE HO! Wunderbar!
Was du auch siehst oder hörst,
denkst oder fühlst – all die unendlichen Dinge
sind nichts als Spiegelungen
in der klaren Weisheit des Geistes -
leer, existieren sie überhaupt nicht!
bis zum nächsten Zenshin-Brief im September!
BQW