Z E N S H I N - j i 

V I R T U E L L E R   R A U M   D E R   S T I L L E


                                                 (C) BIRGIT QIANI WERNER

 

                                                        DIESER HERBST IST DER SECHSUNDSECHZIGSTE, DEN ICH SAH.

                                                        NOCH IMMER BELEUCHTET DER MOND MEIN GESICHT.

                                                        FRAGE MICH NICHT NACH DEM SINN DER LEHREN -

                                                        LAUSCHE EINFACH DEN PINIEN UND ZEDERN

                                                        IN EINER WINDSTILLEN NACHT.            RYONEN, Japan 17.Jahrhundert.

               

                     Z E N - G E S C H I C H T E N


Demnächst auch als Videos im Virtuellen Raum Der Stille.

 

Zen-Geschichten oder auch Koan tauchten zum ersten  Mal im alten chinesischen Chan-Buddhismus auf. Es sind kurze, eindringliche Geschichten über Begegnungen zwischen Menschen, die das Dharma praktizieren und ihre Erfahrungen auf dem Weg und sie dienen uns auch heute noch als Spiegel für unser eigenes Leben und unsere Praxis. Hier zwei Geschichten, die ebenso paradox wie zutiefst treffend den Weg beschreiben, der viele Gesichter hat:

 

ES GAB EIN MÄDCHEN AUS SALZ. Als das Mädchen zu laufen anfing, fragte es sich, wo denn seine Heimat sei. Es begab sich auf die Suche. Es lief, lief und lief um die ganze Welt. Eines Tages kam es an einen Ozean. Der Ozean winkte ihm freundlich einladend zu. Es ging dem Ozean entgegen und schritt in ihn hinein. Mit jedem Schritt verschmolz sein Körper immer mehr mit dem Ozean. Als es am Ende ganz eins wurde mit dem Ozean rief es aus: <Aha!>  *

 

 

DIE ALTE FRAU VOM BERG WUTAI. ** China, 9. Jahrhundert

EINE ALTE FRAU lebte an der Strasse, die zum Berg Wutai führte. Ein Mönch auf Pilgerreise fragte sie:

>Welches ist der Weg zum Wutai?<

Die alte Frau sagte: >Einfach immer geradeaus.<

Der Mönch ging ein paar Schritte und sie sagte:

> Er ist ein guter Mönch, aber schon verläuft er sich wie alle anderen.<

Später erzählte ein Mönch Meister Zhaozhou was geschehen war, und Zhaozhou sagte: >ich werde hingehen und mir diese alte Frau einmal näher ansehen.< Am nächsten Tag suchte Zhaozhou die alte Frau auf und fragte:

>Welches ist der Weg zum Berg Wutai?<

>Einfach immer geradeaus<, entgegnete sie.

Zhaozhou ging ein paar Schritte. Die alte Frau sagte:

>Er ist ein guter Mönch, aber schon verläuft er sich wie alle anderen.<

Zhaozhou kehrte ins Kloster zurück und sagte zu den Mönchen: >Ich habe mir für euch die alte Frau vom Berg Wutäi einmal näher angesehen.<

* S.140 und **S.34 aus 'DAS VERBORGENE LICHT.' Edition Steinrich.